Ich habe meinen Schullehrer geheiratet. Was in unserer ersten Hochzeitsnacht geschah, erschütterte mich bis ins Mark.
Ich habe meinen Schullehrer geheiratet. Und in unserer Hochzeitsnacht, als er mir sein Geschenk überreichte, versiegte mir die Stimme. Ich sah ihn an und flüsterte, innerlich zitternd vor Aufregung:
„Glaubst du wirklich, dass ich das alles kann?
Als ich die Highschool besuchte, war Mr. Harper für uns alle eine Legende. Jung und charismatisch verwandelte er den Geschichtsunterricht in lebendige Theateraufführungen: Er inszenierte Szenen, zeichnete Karten an die Tafel und sprach über alte Zivilisationen, als hätte er selbst einmal in ihnen gelebt.
Für mich war er eine Inspiration – nicht als Mann, sondern als Mensch, der mich an den Sinn des Lebens glauben ließ.

Ich schloss die Schule ab, zog in die Stadt, stürzte mich in den Trubel, in die Arbeit, in endlose Versuche, „erwachsen“ zu sein. Aber mit vierundzwanzig hatte ich das Gefühl, dass ich verlernt hatte zu atmen. Ich kehrte in meine Heimatstadt zurück, wie in meine Kindheit – in der Hoffnung auf Ruhe.
Und dort, auf dem Bauernmarkt, zwischen dem Duft von frischem Brot und Äpfeln, hörte ich eine Stimme, die mich innerlich erschütterte:
„Claire? Bist du das?“
Er stand am Honigstand, in einem dunklen Hemd, mit einem müden, aber freundlichen Lächeln. Leo Harper.
Jetzt einfach nur Leo. Ohne „Mr.“.
Zweiunddreißig Jahre alt. Ein paar Falten mehr, etwas weniger Jugendlichkeit, aber derselbe sanfte Blick.

Wir unterhielten uns, als hätten wir uns erst gestern getrennt. Aus einem Kaffee wurde ein Mittagessen, aus dem Mittagessen ein Abendspaziergang. Er hörte mir zu – nicht nur aus Höflichkeit, sondern wirklich. Und ich ertappte mich bei dem Gedanken: An seiner Seite scheint alles möglich zu sein.
Der Altersunterschied spielte keine Rolle. Ein Jahr später heirateten wir. Es war eine ruhige Zeremonie unter der Eiche, unter der ich einst Gedichte für meinen Schulabschluss gelernt hatte. Er hielt meine Hand, und mir kam es vor, als hätte sich die ganze Welt in diesem Moment an einem Punkt versammelt.
Als die Nacht hereinbrach, erwartete ich Aufregung, Verlegenheit, Zärtlichkeit. Aber Leo wirkte seltsam gefasst. Er schloss die Tür, holte eine alte Holzschatulle aus der Schublade und stellte sie vor mich hin.
„Das ist für dich“, sagte er leise. „Ein Geschenk, das auf seinen Moment wartet.“
Ich öffnete sie. Darin lagen ordentlich gefaltete Papiere: vergilbt, mit kleiner, gleichmäßiger Handschrift beschrieben.
„Was ist das?“, fragte ich.
„Lektionen“, antwortete er. „Geschichten, die man in der Schule nicht erzählen darf. Aber jetzt musst du sie erfahren.“

Auf dem obersten Blatt stand:
„Claire Wilson. Die Prüfung der Zeit. Projekt „Chronos““.
Mein Herz schlug schneller.
„Ist das ein Scherz?“
Leo schüttelte den Kopf.
„Alles, was ich dir über alte Zivilisationen erzählt habe, ist wahr. Nur habe ich nicht über die Vergangenheit gesprochen. Sondern über die Zukunft, die bereits Vergangenheit ist. Ich bin kein Lehrer, Claire. Ich bin der Hüter der Zeitlinie.“
Er sagte das ganz ruhig, wie jemand, der an Unglaubliches gewöhnt ist.
Ich lachte – nervös, unbeholfen.
„Leo, hör auf, du machst mir Angst.“
„Ich will dir keine Angst machen. Ich will, dass du dich entscheidest. Wir müssen zurückkehren. Heute noch.“

Er holte einen silbernen Medaillon aus der Schatulle. Darin befanden sich Sandkörner, die wie lebendig schimmerten.
„Das ist der Schlüssel. Der Chronocode. Er funktioniert nur, wenn wir zu zweit sind. Lehrer und Schüler. Derjenige, der glaubt – und derjenige, der sich erinnern kann.“
Ich trat einen Schritt zurück.
„Zurückkehren … wohin?“
„Ins Jahr 1889. Zu dem Zeitpunkt, als alles begann. Die Geschichte wurde verfälscht. Jemand hat die Zeit umgeschrieben. Wir sind die Wächter, Claire. Du bist meine Partnerin, auch wenn du dich nicht daran erinnerst. In deinem früheren Leben warst du Chronistin.“
Er machte einen Schritt auf mich zu, seine Augen leuchteten sanft. „Ich habe darauf gewartet, dass du dich erinnerst.“
Die Welt um mich herum schien zu zittern. Der Raum wurde dunkler, die Luft wurde dichter. Ich roch Ozon und hörte ein leises Knistern – wie vor einem Gewitter.
„Leo“, flüsterte ich. „Das ist unmöglich.“
„Alles ist möglich, wenn du dich erinnerst.“

Er berührte meine Schläfe mit seinem Medaillon. Die Welt explodierte in einem Lichtblitz.
Ich stand auf dem vom Regen nassen Pflaster. Über mir hingen Gaslaternen. Kutschen. Pferde. Es roch nach Rauch und Leder.
Leo stand neben mir – in einem langen Mantel, mit dem gleichen Blick.
„Willkommen zu Hause, Claire“, sagte er. „Wir haben es geschafft.“
Ich verstand nicht. Alles war real. Und gleichzeitig auch nicht. In meinem Kopf blitzten Bilder auf: das Labor, Bücher, Uhren mit sich bewegenden Zahnrädern und ich in einem weißen Kittel neben Leo.
Ich erinnerte mich.
Wir hatten ein Gerät zur Zeitkorrektur gebaut. Aber es war aus dem Takt geraten. Die Welt hatte sich in zwei Linien geteilt, und eine davon – unsere – war falsch geworden. Um alles wieder in Ordnung zu bringen, mussten wir von vorne anfangen.
Und wir vereinbarten, unsere Erinnerungen zu löschen.
Bis wir uns wieder sehen würden.

Die nächsten Tage vergingen wie im Rausch. Wir fanden eine alte Kapelle – unser Labor. Dort stand unter Staubschichten das Gerät – ein Metallkreis mit einem Geflecht aus Kupferspeichen. „Chronos“.
„Jetzt muss es nur noch eingeschaltet werden“, sagte Leo. „Aber denk daran: Jemand muss in dieser Linie bleiben, um sie vor dem Untergang zu bewahren.“
„Jemand?“, fragte ich erschrocken. „Werden wir jemanden verlieren?“
Er sah mich an, als hätte er seine Entscheidung bereits getroffen.
„Ja. Mich.“
„Nein, Leo. Das werde ich nicht zulassen.“
„Das ist meine Mission, Claire. Du musst weitermachen.“
Er reichte mir den Medaillon.
„Du schaffst das.“
Da wurde mir klar, dass sein Geschenk nicht nur ein Symbol war. Es war der Schlüssel zu einer Welt, die ohne uns beide verschwinden würde.

Ich schaltete „Chronos“ ein. Die Luft zitterte. Die Zeitströme verschmolzen zu einem blendenden Wirbel.
Leo trat vor – und das Licht verschlang ihn.
Ich schaffte es nur noch zu rufen:
„Leo!“
Und dann – Stille.
Die Welt zerfiel wie Staub und setzte sich wieder zusammen. Ich erwachte auf dem Boden meines Hauses. Gegenwart. Alles war an seinem Platz. Nur die Schatulle war weg. Nur das Medaillon – kalt, mit einem kaum schimmernden Sandkorn.
Drei Jahre sind vergangen.
Ich habe ein kleines Café an der Ecke eröffnet – „Chronos“. Die Leute kommen ohne Eile dorthin, lesen Bücher, sprechen über die Zeit.
Manchmal, wenn ich abends die Türen schließe, scheint es mir, als stünde ein Mann in Mantel und Hut vor dem Fenster, lächele und schaue auf.
In einer dieser Nächte holte ich das Medaillon hervor. Im Inneren leuchtete das Sandkorn heller als je zuvor.
Und ich hörte seine Stimme, leise wie ein Atemzug:

„Ich bin bei dir, Claire. Ich war immer da.“
Und dann eine neue Botschaft, die im Inneren des Deckels leuchtete:
„Du glaubst, du schaffst das nicht? Aber du hast es schon geschafft.“
Ich lächelte durch meine Tränen hindurch.
Die Zeit hatte keine Macht. Wir hatten uns wiedergefunden.